Das Brockenbuch von Hansjörg Hörseljau

Aus: Der Brocken – ein freier Berg.

Herzlichen Dank für die zahlreichen Bestellungen meines zweiten Brockenbuches „Der Brocken – ein freier Berg“.  Den Bildband können sie auch weiterhin direkt rechtsseitig erwerben.

Mit dem Fotografieren habe ich in den frühen 1970er Jahren begonnen. Meine Eltern waren damals mit meinen Geschwistern aus Norddeutschland in den Harz gezogen. Ich war seit meiner Kindheit neugierig. Zu Fuß, mit dem Rad und oftmals auch mit meiner Mutter habe ich mich damals auf den Weg gemacht und den Harz durchstreift. Ziel war dabei häufiger auch die innerdeutsche Grenze, die die Menschen diesseits und jenseits des vielfach gesicherten Genzstreifens daran hinderte, den jeweils anderen Teil des Harzes zu betreten.

Blick auf die Brockenkuppe - 1974
Blick auf die Brockenkuppe – 1974.

 

Meine Neugier war schon damals Grenzenlos: Mit meiner Kamera und den dazugehörigen Teleobjektiven konnte ich die Grenze im Rahmen meiner Möglichkeiten überwinden. Die Brockenkuppe erschien von Torfhaus, dem Achtermann oder dem Wurmberg wesentlich näher, als der Blick aus Wernigerode oder anderen Gebieten, die von Menschen in der DDR betreten werden durften.

Hansjörg Hörseljau, Fotojournalist.
Hansjörg Hörseljau, Fotojournalist.

 

Nach dem Abitur war ich dann einige Jahre zum Design-Studium in Essen. Wenige Jahre vor dem Mauerfall hatte ich mich dann als Fotojournalist im Harz selbständig gemacht. In dieser Funktion war ich damals regelmäßig für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unterwegs. Durch einen besonderen Zufall erfuhr ich von der geplanten Demonstration am 3. Dezember 1989 zum Brocken.

Die Reportage-Fotos von diesem Tag gehören bis heute zu meinen wichtigsten Bildern. Sie sind zu einem wichtigen Zeitdokument geworden und werden immer wieder in Dokumentationen genutzt. Gleichzeitig sind diese Fotos auch das Fundament meines bisher längsten Fotoprojektes: Seit etwa 50 Jahren fotografiere ich im Harz die damalige Grenze, den Mauerfall und folgenden politischen Veränderungen entlang der (ehemaligen) Grenze und des Brockens.

Fast genauso lange beobachte und dokumentiere ich die Veränderungen der Landschaft im Harz. Das wurde in den 80er Jahren das (erste) Waldsterben.

Schon in den 1970er Jahren hatte der Club of Rome davor gewarnt. Nachdem aber die Industrie Filter in ihre Industrieanlagen eingebaut hatte und die Kraftfahrzeuge Katalysatoren erhalten haben, schien die Gefahr zunächst gebannt.

Dramatik und Folgen des weltweiten Temperaturanstiegs werten seit Ende der 2010er Jahre immer schwerwiegender. Katastrophale Wetterlagen wie Trockenheit, Überschwemmungen, Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg und Auflösung der Polkappen werden immer bedrohlicher.

Die Folgen sind in Deutschland grade im Harz unübersehbar. Für mich hat sich nach dem politischen Wandel der Klimawandel zu meinem wichtigsten Thema entwickelt. Die Klimakrise ist neben allen laufenden Krisen eine Krise, die ungleich schwerer wiegt, weil es um das Überleben (von Menschen, Pflanzen und Tieren) auf unserem Planeten geht.

Klimakrise im Harz.
Klimakrise im Harz.

 

 

Mein Grenzübertritt am 11. November 1989 ohne Visum.

Mein erster Besuch der DDR ohne Visum am 11. November 1989.

Bereits am 10. November bin ich in Duderstadt gewesen, um die Öffnung des Grenzübergang zu beobachten und zu fotografieren. Daher entschied ich, auch am folgenden Tag (am 11. November 1989) nach Duderstadt zu fahren.

Sturm auf die Sparkasse in Duderstadt. 

 

Bereits vor Öffnung der Geschäfte tuckerten die Trabi´s und Wartburg´s zahlreich Richtung Duderstadt und die Gassen der Altstadt von Duderstadt. Besonders vor den Türen der Sparkasse sammelte sich eine große Menschenmenge. Traditionell gab es dort für jede Bürgerin und jeden Bürger das einmalige Begrüßungsgeld in Höhe von 100 Mark.

Erst danach suchten die Menschen nach Discountern und Drogeriemärkten. Dort war der Ansturm so groß, dass viele Artikel und Waren schon nach kurzer Zeit ausverkauft waren.

In den Gesichtern der Menschen war Anspannung und Glück und Freude zu sehen. Die Menschen schienen erweitert, dass am Ende die Menschen aus der DDR hin und her pendeln konnten.

Stau nach Westdeutschland. © Hansjörg Hörseljau

 

Für Menschen aus Westdeutschland galt das zu dieser Zeit noch nicht. Offiziell benötigten sie immer noch ein Visum oder den Mehrfachberechtigungsschein zum Besuch der DDR. Die Visumspflicht wurde erst zu Weihnachten 1989 aufgehoben.

Ich ging zu Fuß zum Grenzübergang nach Teistungen. Dort erlebte ich, wie grade der Puspendelverkehr zwischen den beiden Grenzübergangsstellen Gerblingerode (BRD) und Teistungen (DDR) eingerichtet wurde. In den ersten oder zweiten Bus bin ich einfach eingestiegen.

Ein Passkontroleur fragte zwischendurch, ob ausser DDR-Bürger noch andere Menschen im Bus seien? Da sich keiner meldete, waren wir kurze Zeit später in Teistungen. Von dort aus bin ich dann zu Fuß Richtung Berlingerode gelaufen, habe einfach nur gestaunt, beobachtet und fotografiert.

Stau Richtung Westen in Teistungen am 11.11.1989. © Hansjörg Hörseljau

 

Am späten Nachmittag war ich wieder in Teistungen und von dort aus ging es wieder über die Grenze zurück nach Duderstadt. Es war ein langer und bis heute unvergesslicher Tag.

 

Lange Wartezeiten Richtung Westen. © Hansjörg Hörseljau

Im Brockenbuch sind viele relevante Ereignisse festgehalten.

#brockenbuch #hoerseljau

35 Jahre Friedliche Revolution in Duderstadt

Im November 1989 spitzt sich die aussichtslose Krise in der DDR und Berlin immer mehr zu. Da in dieser Zeit die Fotografie noch analog statt war, spielte sich ein Teil meiner Arbeit im Fotolabor ab. Die Bilder wurden nach Fertigstellung per Kurier an die Redaktionen geliefert. Im Labor war der Deutschlandfunk mein treuer Begleiter und natürlich die Ereignisse in Ostdeutschland und in Berlin.

Mauerfall am 10.11.1989 am Grenzübergang zwischen Duderstadt und Worbis auf niedersächsischer Seite. Dort kommen Fahrzeuge aus der DDR heraus gefahren und fahren auch wieder zurück – ohne Visum

 

So auch an diesen Abend, als Günther Schabowski fast zufällig die Reisefreiheit der DDR-Bürger auf der abendlichen internationalen Pressekonferenz verkündete. Die Sensation-Nachrichten liefen weltweit über die Nachrichtenticker. Unglaube und Konfusion. Viele hatten die Pressekonferenz live verfolgt und nahmen Günther Schabowski beim Wort  und überrannten am Ende die Grenzübergangsstellen. Der Übergang an der Bornholm Straße (Berlin) wurde gegen 23.30 Uhr vollständig geöffnet.

Mauerfall am 11.11.1989 in Duderstadt. Die Stadt wird von Menschen aus der DDR überrannt. Erste Anlaufstelle ist die Sparkasse für das „Begrüßungsgeld“, das jeder DDR-Bürger einmalig erält. Anschließend folgen Discount-Märkte wie Plus oder Drogeriediscounter.

 

Mauerfall am 11.11.1989 in Duderstadt. Die Stadt wird von Menschen aus der DDR überrannt. Erste Anlaufstelle ist die Sparkasse für das „Begrüßungsgeld“, das jeder DDR-Bürger einmalig erält. Anschließend folgen Discount-Märkte wie Plus oder Drogeriediscounter.

 

Mauerfall am 11.11.1989 in Duderstadt. Die Stadt wird von Menschen aus der DDR überrannt. Erste Anlaufstelle ist die Sparkasse für das „Begrüßungsgeld“, das jeder DDR-Bürger einmalig erält. Anschließend folgen Discount-Märkte wie Plus oder Drogeriediscounter.

 

Grenzöffnung am 11.11.1989 in Duderstadt. Die Stadt wird von Menschen aus der DDR überrannt. Erste Anlaufstelle war die Sparkasse, um das „Begrüßungsgeld“, zu erhalten. Anschließend folgten Discounter-Märkte wie Plus oder Drogeriediscounter.


Wenig später, Kurz nach Mitternacht um 0.35 Uhr wird auch der Grenzübergang zwischen Duderstadt und Worbis geöffnet. Am Vormittag des 10. November erlebe und fotografiere ich die Ereignisse in Duderstadt. Am darauffolgenden Tag bin ich ebenfalls Duderstadt und nutze den ersten Pendelbus, der für DDR-Bürger zwischen Gerblingerode und Teistungen eingerichtet wurde. Zum ersten Mal fotografiere ich ohne Visum im „Grenzbezirk“ der DDR.  

Ein großer Teil meiner Fotos in Schwarz-Weiss und Farbe sind bisher nur teilveröffentlicht. Dazu zählen auch Fotografien von der Grenzöffnung zwischen Walkenried und Ellrich. Bei wirklichem Interesse fragen Sie gerne nach. Und natürlich: Alle Fotos, auch im Internet sind urheberrechtlich geschützt.

Fernseh-Dokus mit meiner Beteiligung

Die Brockenmauer kippt

In den letzten Wochen und Monaten werden einige Fernseh-Dokumentationen gesendet, wiederholt oder sind in Mediatheken abrufbar, in denen ich zu sehen oder mit meinen Fotos beteiligt bin.

Der Osten – Entdecke wo du lebst, Mit Volldampf auf den „Berg der Deutschen“ – Die Brockenbahn ist ein wirklich schöner und sehenswerter Film.

Mittwoch, 20. November 2024, 21:00 bis 21:45 Uhr.
Donnerstag, 21. November 2024, 06:35 bis 07:20 Uhr.

Ein weiterer Film wird am 15. November in ZDFinfo. zu sehen sein. Lost Places – Schicksalsorte der deutschen Teilung. Im November jährt sich der Mauerfall und damit auch die Brockenöffnung zu 35en Mal. Damals war ich 29 Jahre alt und bin ich als Fotograf bei den historischen Ereignissen dabei gewesen. Mit den Fotos habe ich Zeitgeschichte festgehalten, die für Deutschland aber insbesondere für den Harz weiterhin aktuell ist. Gleichzeitig bin ich damit zum Zeitzeugen geworden. 

Heute ist es insbesondere die Klimakrise, die mich fotografisch beschäftigt. Es ist die Aufgabe unserer Generation, den Planeten auf dem wir leben und zu Gast sind, auch für zukünftige Generationen zu erhalten.

Viel spannende Fotos sind in meinem Bildband „Der Brocken – ein freier Berg“ zu finden. Rechts finden Sie Bestellmöglichkeiten.

Brockenöffnung
Freier Brocken, freie Bürger

Arte-Doku: Der Harz – Wildnis mitten in Deutschland

Der Harz ist in Deutschland ein einzigartiges Gebirge: Mit einer Ost-West-Ausdehnung von etwa 110 km und einer Nord-Südausdehnung von 30-40 km reicht das Mittelgebirge  weit im norddeutschen Raum hinein und liegt nur 3 Autostunden von den norddeutschen Küsten entfernt. Der Brocken überragt mit 1141 Höhe alle anderen Berghöhen deutlich.

Nationalpark Harz. Naturdynamikzone Bruchberg. In der Ferne befinden sich Brocken, Achtermann und Wurmberg. © Hansjörg Hörseljau


Über Jahrmillionen hat sich ein geologisch einmaliges Gebirge gebildet, das durch weitläufige Wälder, bizarren Felsformation und jahrtausendealte Moore geprägt ist. 

Gleichzeitig haben Bergleute in weiten Teilen des Gebirges eine einzigartige Teichlandschaft mit kilometerlangen begehbaren Gräben und Wasserläufen gebaut, die heute die Naturlandschaft prägen.

Der Raubbau, den die Bergleute im Mittelalter bis in die ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts trieben, ist Fluch und Segen zugleich. Mit seinen Reichtum an Wildtieren wie man sie anderswo in Deutschland kaum noch findet, ist der Harz ein Seismograph für die weltweite Klimakrise.

Mit verschiedenen Porträts, die unterschiedliche Facetten und Aspekte des Harzes erzählen, gelingt Regisseur Marcus Fischötter eine einfühlsame Dokumentation über das nördlichste Gebirge Norddeutschland. Auch wenn die Klimakrise immer größere Ausmasse mit ungewissem Ausgang annimmt, ist es ein positiver Film, der neugierig auf den einzigartigen Lebensraum macht.

Dokumentarfilme Marcus Fischötter mit Kameramann und Tonmann. © Hansjörg Hörseljau

Der Film befindet sich in der ARTE-Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/116866-000-A/der-harz-wildnis-mitten-in-deutschland/

34 Jahre Mauerfall auf dem Brocken

Die Zeitzeugen die am 3. Dezember 1989 mindestens 50 Jahre alt waren, sind heute älter als 84 Jahre. Der Mauerfall vor 34 Jahren – Menschen, die das damals erlebten, haben diese Tage nie vergessen. Es waren glückliche Tage, an dem die Menschen das Gefühl hatten, einen Teil ihrer Freiheit zurück zu bekommen. Über 40 Jahre war  Deutschland geteilt. Die Abriegelung des Brockens er folgte am 13. August 1961 und dauerte mehr als 28 Jahre.

Durch einen glücklichen Zufall hatte ich damals vom Sternmarsch zum Brocken erfahren. Für mich war klar, dass ich dabei sein wollte. Bei schönstem Wetter fuhr ich früh über den offenen Grenzübergang zwischen Eckertal und Stapelburg. Damals benötige ich noch den Mehrfachberechtigungsschein, mit dem ich 30 Mal im Jahr in die DDR einreisen konnte. Die Visumpflicht wurde offiziell erst zu Weihnachten 1989 aufgehoben.

Von Ilsenburg zog ich gemeinsam mit vielen anderen durch das Ilsetal. Kurz vor Erreichen der Brockenstraße lag Knöchel-hoher Schnee. Von dort aus ging es im Gänsemarsch aufwärts.

Gänsemarsch durch den knöchelhohen Schnee aus „Der Brocken – der belagerte Berg“ von ©Hansjörg Hörseljau.

 

Als wir die Brockenstraße erreichten, trauten wir unseren Augen kaum: Dort standen DDR-Grenztruppen mit einer Gulaschkanone und versorgten die Brockenwanderer mit Bockwurst. Von dort aus ging es weiter, auf der linken Seite lag der Wurmberg mit seinem „Nato-Turm“ vor uns. Obwohl wir noch nicht oben angekommen waren, kamen uns zahlreiche Wanderer entgegen. Sie hatten aufgegeben, weil das Brockentor verschlossen war. In Anbetracht der vielen „Nachrücker“ fassten die meisten neuen Mut und kehrten ein weiteres Mal zu Brockentor zurück.

Das Brockentor war ein massives Eisentor, an das auf beiden Seiten die 3,66 Meter hohe Brockenmauer anschloss. 

Im Innern des abgegrenzten Areals waren Sicherheitskräfte, die sich in die Gebäude zurück gezogen hatten. Vor dem Tor verhandelte Major Manfred Schulz mit den Wanderern, die an diesem Tag Demonstranten waren. Die Verhandlungen wurden mehrfach unterbrochen, weil Manfred Schulz mit „Berlin“ telefonierte, um sich Instruktionen einzuholen. Am Ende fasste er selbst die längst unumgängliche Entscheidung: Das Tor sollte für Kleingruppen geöffnet werden.

Brockenöffnung
Freier Brocken, freie Bürger

 

In Anbetracht der nachdrückenden Menschen vor dem Tor erwies sich diese Entscheidung sofort als überholt – alle Demonstranten strömten auf das Brockenplateaux und genossen dort oben einen bis heute unvergesslichen Tag.

Freudenfest am 3. Dezember 1989 auf dem Brocken © Hansjörg Hörseljau.

 

In den folgenden Jahren hat sich der Brocken verändert und wurde von vielem Schutt und Müll befreit. Die russischen Streitkräfte hatte dort bis 1994 den wichtigsten Stützpunkt ausserhalb von Russland, bevor sie ihn am 30. März 1994 verließen.

Auch im Westharz räumten die Geheimdienste aus den USA, Frankreich und England ihre Spionageberge. Vieles davon finden sie auch in meinem Brockenbuch „Der Brocken – ein freier Berg“.

Auf dem Brocken wird das Gedenken an den 3. Dezember 1989 durch den Harzklub wach gehalten.

Brockenmauer
Bildband „Der Brocken – ein freier Berg“ von Hansjörg Hörseljau.

Die Zeitzeugen die am 3. Dezember 1989 mindestens 50 Jahre alt waren, sind heute älter als 84 Jahre. Der Mauerfall vor 34 Jahren – Menschen, die das damals erlebten, haben diese Tage nie vergessen. Es waren glückliche Tage, an dem die Menschen das Gefühl hatten, einen Teil ihrer Freiheit zurück zu bekommen. Über 40 Jahre war  Deutschland geteilt. Die Abriegelung des Brockens er folgte am 13. August 1961 und dauerte mehr als 28 Jahre.

Durch einen glücklichen Zufall hatte ich damals vom Sternmarsch zum Brocken erfahren. Für mich war klar, dass ich dabei sein wollte. Bei schönstem Wetter fuhr ich früh über den offenen Grenzübergang zwischen Eckertal und Stapelburg. Damals benötige ich noch den Mehrfachberechtigungsschein, mit dem ich 30 Mal im Jahr in die DDR einreisen konnte. Die Visumpflicht wurde offiziell erst zu Weihnachten 1989 aufgehoben.

Von Ilsenburg zog ich gemeinsam mit vielen anderen durch das Ilsetal. Kurz vor Erreichen der Brockenstraße lag Knöchel-hoher Schnee. Von dort aus ging es im Gänsemarsch aufwärts.

Gänsemarsch durch den knöchelhohen Schnee aus „Der Brocken – der belagerte Berg“ von ©Hansjörg Hörseljau.

 

Als wir die Brockenstraße erreichten, trauten wir unseren Augen kaum: Dort standen DDR-Grenztruppen mit einer Gulaschkanone und versorgten die Brockenwanderer mit Bockwurst. Von dort aus ging es weiter, auf der linken Seite lag der Wurmberg mit seinem „Nato-Turm“ vor uns. Obwohl wir noch nicht oben angekommen waren, kamen uns zahlreiche Wanderer entgegen. Sie hatten aufgegeben, weil das Brockentor verschlossen war. In Anbetracht der vielen „Nachrücker“ fassten die meisten neuen Mut und kehrten ein weiteres Mal zu Brockentor zurück.

Das Brockentor war ein massives Eisentor, an das auf beiden Seiten die 3,66 Meter hohe Brockenmauer anschloss. 

Im Innern des abgegrenzten Areals waren Sicherheitskräfte, die sich in die Gebäude zurück gezogen hatten. Vor dem Tor verhandelte Major Manfred Schulz mit den Wanderern, die an diesem Tag Demonstranten waren. Die Verhandlungen wurden mehrfach unterbrochen, weil Manfred Schulz mit „Berlin“ telefonierte, um sich Instruktionen einzuholen. Am Ende fasste er selbst die längst unumgängliche Entscheidung: Das Tor sollte für Kleingruppen geöffnet werden.

Brockenöffnung
Freier Brocken, freie Bürger

 

In Anbetracht der nachdrückenden Menschen vor dem Tor erwies sich diese Entscheidung sofort als überholt – alle Demonstranten strömten auf das Brockenplateaux und genossen dort oben einen bis heute unvergesslichen Tag.

Freudenfest am 3. Dezember 1989 auf dem Brocken © Hansjörg Hörseljau.

 

In den folgenden Jahren hat sich der Brocken verändert und wurde von vielem Schutt und Müll befreit. Die russischen Streitkräfte hatte dort bis 1994 den wichtigsten Stützpunkt ausserhalb von Russland, bevor sie ihn am 30. März 1994 verließen.

Auch im Westharz räumten die Geheimdienste aus den USA, Frankreich und England ihre Spionageberge. Vieles davon finden sie auch in meinem Brockenbuch „Der Brocken – ein freier Berg“.

Auf dem Brocken wird das Gedenken an den 3. Dezember 1989 durch den Harzklub wach gehalten.

Brockenmauer
Bildband „Der Brocken – ein freier Berg“ von Hansjörg Hörseljau.

Warum sollte ich das „Brockenbuch“ kaufen?

Kürzlich war ich bei einem Vortrag, bei dem ich meine Bücher angeboten habe. Einer der Besucher sagte: „Ihr Bildband ist toll. Ich hole ihn regelmäßig aus dem Schrank und schaue dort rein. Es ist ein Zeitdokument und hat wunderbar festgehalten, wie es früher im Harz rund um den Brocken war.“

Eine andere Besucherin sagte: „Ihr Brockenbuch ist wunderbar. Aber in meinem Alter kaufe ich keine Bücher mehr. Meine Kinder sagen mir, dass sie das ganze Zeug, was ich so ansammle, einmal beseitigen müssen.“

Das verstehe ich, weil ich das selbst schon in der Familie erlebt habe. Beim Auflösen eines solchen Haushalts sind mir aber auch schon tolle Schätze begegnet, die ich selbst behalten habe oder weiter verschenkt habe.

Als Chronist sind mir viele Situationen begegnet, die ich in Bildern festgehalten habe: Die ehemalige Grenze, die den Harz, Deutschland und ganz Europa durchzog und West- und Osteuropa voneinander trennte. Es war nicht nur eine Trennungslinie sonder ein reales und tödliches Bollwerk, die viele Menschen und Familien jahrzehntelange Trennung verordnete: Keine gemeinsamen Begegnungen, Feste – Geburtstage, Hochzeiten oder Trauerfeiern.

Die Grenze im Eckertal – © Hansjörg Hörseljau

 

Entlang der Grenze gab es eine einzigartige geheimdienstliche Aufrüstung. Viele Berge im Westdeutschland hatten die Geheimdienste besetzt, um die gegnerischen Geheimdienste in der DDR oder weiter auszuspionieren. Das habe ich ebenfalls festgehalten, sofern es mir möglich war. Es sind Bilder entstanden, die ich damals nicht fotografieren durfte. Heute sind viele Menschen froh, dass es die Bilder gibt.

Spionageanlage im Harz
Westdeutsche und französische Geheimdienst spionierten vom Stöberhai im Südharz in die DDR und Polen. © Hansjörg Hörseljau.

 

Überhaupt – ich fotografiere, damit nicht vergessen wird, was einmal war. Zum Beispiel wie es war, in einem Kontinent der Unfreiheit zu leben. Auf meinem Schulweg konnte ich täglich zum Brocken hinüber blicken, ohne ihn selbst besteigen zu können. Als Westdeutscher hatte ich eben auch einen Zaun, eine Mauer vor der Nase, die unüberwindbar war. Ich war frei und konnte mich zumindest in alle anderen Richtungen bewegen. Für Menschen aus der DDR war das mit weitreichenderen Konsequenzen verbunden.

Die Bilder sind wichtige Dokumente gegen das Vergessen. Mir ist es wichtig, die Zeit des „Kalten Krieges“ nicht zu vergessen. An vorderster Front zum Westen waren die sowjetischen  bzw GUS Truppen stationiert, um den Westen auszuspionieren. 

Die Einheit befindet sich heute in Kaliningrad und die russischen Truppen, die bis 1994 in Ostdeutschland stationiert waren, haben die Ukraine überfallen und führen dort einen grausamen Krieg gegen die Bevölkerung der Ukraine.

Bis 1994 spionierte eine russische Einheit, die direkt dem russischen Auslandsgeheimdienst FSB unterstellt war, bis in die Benelux-Staaten.

 

Eine Grenze, wie sie bis 1989 existierte, trennen bis heute Nord- und Südkorea voneinander..

Das „Brockenbuch“ habe ich im Eigenverlag erstellt. Es ist mit Unterstützung von Familie und Freunden entstanden. Bis heute verschicke ich es persönlich.

Wenn Sie das Brockenbuch für sich persönlich oder als Geschenk bestellen möchten, freue ich mich. Ihre Wünsche können Sie mir gerne zukommen lassen.

 

Maueröffnung im November 1989 im Harz

 Es waren Tage, die ich mein Leben lang nicht vergesse. Am 9. November habe ich wie oft in meinem Fotolabor gearbeitet und Auftragsarbeiten ausgearbeitet. Häufig habe ich für das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fotografiert. Damals war die Fotografie noch analog: Ich habe die Bilder in meinem Fotolabor entwickelt und vergrößert. Die Bilder wurden dann, je nach Dringlichkeit per Kurier an die Redaktion verschickt. 

Häufig habe ich im Labor Radio gehört – meist aktuelle Sendungen des Deutschlandfunk. Die sich unmittelbar neben der Grenze überschlagenen Meldungen wurden immer brisanter und dringlicher. Dabei schien bei einem Blick über den Grenzzaun im Harz alles wie immer.

Als dann die ersten Meldungen des von der Grenzöffnung real wurden, habe ich mich sofort auf den Weg nach Duderstadt gemacht und dort die Entwicklung am Grenzübergang in Teistungen beobachtet und fotografiert. Die ersten Trabbi´s kamen noch etwas vorsichtig über den Grenzübergang. Auf westdeutschen Seite befand sich ein Rückstau von Autos aus der BRD, die in die DDR einreisen wollten. Sie benötigten ein Visum, mussten Zwangsumtausch für die DDR machen und wurden zur Freude der DDR-Passkontrolleure streng kontrolliert. 

Grenzöffnung zwischen Duderstadt und Worbis (Richtung Westen).

 

Am 9. November war alles relativ ruhig. Aber schon einen Tag später herrschte Ausnahmezustand. Schon am frühen Morgen. Erste Station war meist die Sparkasse, wo das Begrüßungsgeld ausgezahlt wurde. Direkt daneben befand sich ein Plus-Markt, der am Mittag nahezu völlig ausverkauft war.

Ich habe vieles in dieser Zeit dokumentiert: Viele glückliche Gesichte auf beiden Seiten der Grenze. Es war eine wilde Zeit, in der Vieles möglich war, was zuvor und auch danach nicht mehr möglich gewesen wäre. Für die meisten Menschen, die diese Zeit selbst miterlebt haben sind diese Tage unvergesslich geblieben.

Vergessen sollten wir aber nicht, dass die Mauer nicht gefallen ist – sie wurde gefallen! Menschen in der DDR waren die Diktatur und den Schurkenstaat leid und haben sich gemeinsam dagegen gewehrt. Sie haben sich damit ihre Freiheit erstritten. Die korrupten Politiker und staatlichen Stellen hatten keine Wahl, sie mussten die Grenze öffnen und am Ende ihre Ämter räumen.

Ehemaliger Spionageturm und Anlagen auf dem Stöberhai im Südharz.

 

Fotoausstellung in Nordhausen

 

Die Entwicklung rund um den Brocken, habe ich in „Der Brocken – ein freier Berg“ festgehalten. Im Westharz hatten westliche Geheimdienste und Verbündetet die höchsten Berge besetzt. Auch sie sind schon lange Geschichte.

0

Dein Warenkorb